Family Card - Person Sheet
Family Card - Person Sheet
NameEdith Johanna CASSIRER 110
Birth5 Aug 1885770
Death29 Apr 1982, Switzerland768,110
OccupationFounder of the Odenwaldschule (originally in Ober-Hambach, D 64646 Heppenheim, Germany)
FatherMax CASSIRER (1857-1943)
MotherHedwig FREUND (1862-1928)
Spouses
Birth10 Oct 1870
Death1 May 1961768,769
FatherAdalbert GEHEEB (1842-1909)
Notes for Edith Johanna CASSIRER
See also: Dennis Shirley, The Politics of Progressive Education : The Odenwaldschule in Nazi Germany, Harvard University Press, 1992.

Edith Geheeb-Cassirer (1885 - 1982) and Paul Geheeb (1870 - 1961)768 were early leaders in the progressive education movement of the late 19th and early 20th centuries. The Geheebs were able to design and build their ideal school in 1910, the Odenwaldschule in southwestern Germany. Very radical for its day, this coeducational boarding school involved students in new forms of learning. The Odenwaldschule was widely recognized as a successful experiment in the progressive education movement and it continued to thrive for more than twenty years under the Geheebs’ direction.

During the Nazi era, however, they emigrated to Switzerland rather than compromise their educational principles. The war years were extremely difficult and the school, consisting mainly of refugee children, was forced to move several times. Finally, in 1946, it was moved to its present location on the Hasliberg.

Now, known as the Ecole d’Humanite it is located in the mountain village of Hasliberg-Goldern, it lies between Lucerne and Interlaken in the heart of the Swiss Alps.582

While there is a readiness to examine and adopt new ideas and methods in the school, there is also a strong sense of its past. The principles of our founders originating with the educational reform movement of the beginning of the century have been maintained in an unbroken tradition. Changes take place here, but within the stable framework of these basic ideas.
Misc Note 2 notes for Edith Johanna CASSIRER
Rede von Edith Geheeb beim Bezug der drei neuen Häuser (1970) 771

Liebe Mitarbeiter, geliebte Kinder, liebe Gäste. Es sei mir gestattet, ein persönliches Wort an Sie alle zu richten. Wenn wir heute den Augenblick erleben, dass unsere neuen Häuser bezogen werden können, gehen so viele Gedanken und Gefühle mir durch Kopf und Herz, dass ich mich gedrängt fühle, zu Euch zu sprechen.

Paulus und ich haben unsere Odenwaldschule 1934 verlassen und sind mit wenigen Kindern und einigen Mitarbeitern in die Schweiz übergesiedelt. Dort war es nun unsere Aufgabe, das, was wir in schönen, aber auch schweren Jahren aufgebaut hatten, wieder zum Leben zu erwecken. Ihr wisst ja alle, dass Paulus zu den Gründern der Landerziehungsheimbewegung gehört hat, dass er einer der kühnsten Reformer des Schulwesens gewesen ist, als er 1910 im Odenwald seine Schule gründete. Die Ideen, die ihn damals bewegten, sind zum grossen Teil heute sogar im öffentlichen Schulwesen verwirklicht; aber damals war sein Eintreten für die Welt der Kinder etwas so Neues und Erstaunliches, dass es nur ein ganz kleiner Kreis war, der seinen Gedanken aus vollem Herzen zustimmte. Paulus und ich hatten uns in Wickersdorf kennengelernt; er war der Leiter dieser Freien Schulgemeinde, die er mit grossem Enthusiasmus in 1 1/2 Jahren mit der Hilfe der Kinder, die aus dem vorigen Landerziehungsheim von Dr. Lietz stammten, aufgebaut hatte. Natürlich standen ihm auch dort Mitarbeiter zur Seite; es war das Traurige, dass schon nach kurzer Zeit Differenzen im Kollegium auftraten, so dass das schöne Werk zerstört wurde. Ich kam aus einer gepflegten bürgerlichen Familie, hatte mich immer für Kinder interessiert und war glücklich, in Wickersdorf das zu finden, was ich mir als Arbeit erhofft hatte: Leben in der Natur, Einfachheit der Verhältnisse, die Möglichkeit, in naher Verbindung mit den Kindern zu leben, Glied einer Gemeinschaft zu werden. Dass Paulus und ich uns bald fanden und unser Leben verbinden wollten, war natürlich für uns beide ein unvorhergesehenes Glück. Desto trauriger war es für uns, dass die mit so viel Hingabe aufgebaute Arbeit in Wickersdorf zunichte wurde, so dass wir, noch nicht verheiratet, uns von geliebten Kindern trennen mussten und vor ganz neuen Entschliessungen standen.

Paulus war erfüllt von seinen Ideen und ging, ohne nach rechts und links zu sehen, auf sein Ziel zu: die Verwirklichung einer neuen Schule. Ich war wieder im Elternhaus, und die Aufgabe, baldigst die Schulgründung zu verwirklichen, schien mir beinahe unlösbar. Paulus war mittellos, durch die erschütternden Erlebnisse in Wickersdorf war seine Gesundheit angegriffen. Sein bisheriger Freundeskreis stand ihm zum Teil zweifelnd gegenüber. Deutschland, damals in viele Staaten gegliedert, hatte in jedem Staat ein anderes Erziehungssystem, und wer würde die Erlaubnis zu einer Schulgründung geben, in der Knaben und Mädchen miteinander erzogen werden sollten? Alle diese Fragen lasteten auch schwer auf meinem Vater, der sich die Zukunft seiner einzigen Tochter so ganz anders vorgestellt hatte. Zunächst war er begreiflicherweise gegen unsere Heirat und unsere Pläne. Aber je mehr er meinen und Paulus' ernsten Willen kennenlernte, unser Leben in Arbeit zu verbinden, desto interessierter zeigte er sich für unsere Pläne. Nach starken Kämpfen mit den Behörden hatte Paulus vom Grossherzog von Hessen-Darmstadt die Erlaubuis bekommen, in diesem Staat die Schule zu eröffnen. Paulus hoffte immer noch, aus eigenen Kräften und durch seine Beziehungen das Werk ins Leben zu rufen, aber die Schwierigkeiten häutten sich in bedenklicher Weise.

Warum erzähle ich nun dies alles in diesem Augenblick? Ich will auf meinen geliebten Vater zu sprechen kommen, der uns soviel geholfen hat. Als wir die neuen Häuser hier auf dem Hasliberg in Angriff nahmen, überraschten mich Armin und Natalie Lüthi mit dem Vorschlag, das grösste Haus Max-Cassirer-Haus zu nennen. Ich wäre nie auf diesen Gedanken gekommen, und so bedeutete dieser Vorschlag eine grosse Freude für mich. Nun will ich Euch, die Ihr hier anwesend seid, von meinem Vater erzählen. Mein Vater war ein wunderbarer Mensch, von grosser Herzensgüte und Wärme, von praktischem Verstand, von selbstverständlicher Hingabe an das, was ihm vorschwebte. Als er unsere Schwierigkeiten erfasst hatte, setzte er sich für uns ein, und zwar mit voller Seele. Er stellte uns nicht nur die Mittel zur Verfügung, die eine grosse Schule benötigt, die zuletzt von über 200 Kindern bewohnt war, sondern er bedachte mit uns jede Einzelheit in diesem Werk. Er selbst, der in Berlin wohnte, hatte damals eine Fabrik in Polen; er war Stadtrat von Berlin-Charlottenburg, später Ehrenbürger von Berlin; er war im Vorstand der Deutschen Industrie. Seine Pflichten waren also unzählige, und alles, was er unternahm, machte er gut. Einmal, als ich etwas leichtfertig erwiderte: "Nun, das machen wir so oder so, es kommt ja nicht darauf an", hat er zu mir gesagt: "Edith, höre, was man unternimmt, tut man gut und ganz." So übernahm er auch die Mitwirkung in der Odenwaldschule mit seinem ganzen Herzen und seiner praktischen Klugheit. In Berlin wohnend, kam er zunächst, solange die Bauten im Gange waren, oft, später etwas seltener nach dem Odenwald. Die Reise war 8-12 Stunden weit; er benutzte die Nacht, um zu reisen, den Tag, um intensiv bei uns zu arbeiten, und manches Mal war er genötigt, die nächste Nacht wieder zurückzureisen. Er kannte nicht nur jeden Winkel in den Häusern, in den Gärten und den anschliessenden Waldungen; er überlegte mit Fachberatern die Einrichtung der Wasserversorgung und die Wegeführung in dem weitausgedehnten Gebiet; kurz, er war selbst der Fachmann, der alle Zügel in den Händen hatte. Es wäre aber völlig einseitig zu denken, dass Vater lediglich ein tüchtiger Geschäftsmann war. Er kannte die Mitarbeiter und die Kinder, ja jedes einzelne Kind. Er fragte nach ihren persönlichen Verhältnissen, nach ihren Interessen. Er erkundigte sich bei Mitarbeitern und den Angestellten, was in der Schule benötigt wurde, ja er hörte die Wünsche der Kinder an, was ihnen zum Leben in der Schule noch fehlte. Auch mit der Bauerngemeinde nahm er Beziehungen auf, und die zehn Nachbarn der Schule, die alle ihre eigenen Bauernhöfe hatten, wurden seine Freunde. Wenn der Stadtrat aus Berlin kam, wusste es das ganze Dorf, und alle hatten Anliegen. Ganz hervorstechend war seine Liebe für die Kinder. Schon als junges Mädchen hatte ich beobachtet, dass er in Berlin an keinem Kinderwagen vorbeiging, ohne das Baby anzusehen und womöglich mit der Mutter einige Worte zu wechseln; und was es mir in meiner Kindheit bedeutet hat, diesen verehrten, wenn auch gestrengen Vater zu erleben und ihm zu folgen, kann ich kaum zum Ausdruck bringen. Für mich war es ein grosser Schmerz, als er aus dem Leben gerufen wurde. So hat er nicht mehr erleben können, dass die schweren Jahre unserer Schulgründungen in der Schweiz, in denen Paulus die führende Kraft war, nun mit unserer hiesigen Ecole d'Humanite gekrönt worden sind. Ihr alle seid nun diejenigen, auf die es heute ankommt, die die Schule mit Leben erfüllen werden, und ich vertraue, dass alle gemäss ihrer Reife sich dieser Aufgabe bewusst sein werden. Wir aber, die wir nach harten Mühen und Sorgen nun eine so schöne Lebensstätte zur Verfügung haben, sollten im Gedächtnis behalten, dass wir die Schule letztlich einer väterlichen Hand verdanken, wie es schon in der Bibel heisst: "Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser."
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Last Modified 14 Nov 2014Created 21 Mar 2024 by Jim Falk